Falter des Monats April


Kleines Nachtpfauenauge
 – Saturnia pavonia (Linnaeus, 1761)
Buchheiden-Prachtspinner, Buchheiden-Pfauenspinner

Die Familie Saturniidae ist über die ganze Erde verbreitet und insbesondere im tropischen Afrika und Amerika heimisch. Sie umfasst um die 1300 bekannte Arten. In Europa ist die Familie auf 3 Arten beschränkt. Bei uns kommt nur eine vor.
Die Gattungsname Saturnia ist der Antike entliehen. Er ist ein Zuname der Göttin Juno, deren Begleiter der Pfau ist. Die prächtige Ozelle auf den Vorder- und Hinterflügeln der Saturniden-Arten gleicht der Pfauenfeder, daher der Name „Pfauenauge“ (Abb. links oben).
Die Verbreitung des Kleinen Nachtpfauenauges umfasst das ganze Europa. Kleines Nachtpfauenauge deshalb, weil in Süd- und Osteuropa und Nordafrika, ein ähnlich aussehendes Tier, das „Große Nachtpfauenauge“, auch „Wiener-Nachtpfauenauge“ (Saturnia pyri) genannt, vorkommt.
Es ist der größte europäische Nachtfalter aus dieser Familie der Pfauenspinner mit einer Flügelspannweite von 105–143 mm. Das Kleine Nachtpfauenauge hat eine Spannweite von 51–72 mm.
Das Tier ist einbrütig, was bedeutet, es hat nur 1 Generation im Jahr. Der Falter fliegt von Mitte April bis Mitte Mai. Bei uns setzt die Flugzeit mit der Schlehenblüte ein (Abb.). Saturnia pavonia ist in Deutschland durch das ganze Gebiet hindurch in allen Landschaftsformen und in allen Höhenstufen verbreitet und Jahrweise auf seinen Flugplätzen zahlreich. Eine gute Aussage über die Häufigkeit und das Vorkommen der Art gelingt durch das Anlocken der Männchen mit gezüchteten Weibchen sowie das gezielte Suchen der Jungraupen. Die Häufigkeit dieser Art wechselt mit der Vegetation. Infolge des Zusammenschrumpfens der Ödlandflächen und dem Verschwinden von Buschsteppen und Buschheiden ist in den letzten Jahrzehnten eine deutlich Abnahme des Bestandes zu beklagen.
Während in den 60er Jahren die Raupen noch überall in der näheren Umgebung von Stuttgart häufig zu finden waren, sind diese heute weitgehend verschwunden. Das anpassungsfähige Insekt bewohnt verschiedene Offenlandbiotope vom Tiefland bis ca. 2000 m Höhe.
Die Männchen (Abb.) gelten als tag- und nachtaktiv. In den warmen Nachmittagsstunden fliegen sie die Weibchen (Abb.) an. Der Hochzeitsflug der Männchen, also das Aufspüren der begattungswilligen unbefruchteten Weibchen – dies gilt allgemein für alle Nachtfalter – ist auf einen Riechvorgang zurückzuführen. So wie wir mittags etwa nach dem Geruch erraten können, was es zum Essen gibt, so nehmen die Falter mit den Riechorganen auf den Fühlern (Abb. links unten) die Anwesenheit eines einen Freier erwartenden Weibchens wahr. Aus den weiblichen Lockdrüsen (Abb. links mitte) werden Pheromone versprüht. Das Männchen beginnt mit dem Suchflug, wenn es Spuren des weiblichen Lockduftes mit den Fühlern einfängt. Dieser wirkt als Auslöser, der die Flugrichtung bestimmt. Der Falter fliegt nun mehr oder weniger gegen den Wind. Schießt er dabei über das Ziel hinaus, schlägt er einen Haken und kehrt zurück, um wieder in den Bereich des Duftes zu gelangen. Hieraus erklärt sich der oft zu beobachtende unstete, unberechenbare Flug. Dies kann man bei allen tagfliegenden Nachtfaltern, die ein Weibchen suchen, beobachten, so auch beim Nagelfleck (Aglia tau), dem Falter des Monats Mai oder dem Birkenspinner (Endromis versicolora), Falter des Monats März. 
Die weiblichen Pheromone sind derart wirksam, dass auf mehr als einen Kilometer Entfernung paarungswillige Männchen das Lockdüfte ausströmende Weibchen finden.
Die Pharmazie stellt heute diese Lockstoffe synthetisch her. Insbesondere werden Pheromone zur Schädlingsbekämpfung artspezifisch eingesetzt. Diese finden mit großem Erfolg in der biologischen Schädlingsbekämpfung Anwendung.
Die Paarung des Kleine Nachtpfauenauges dauert unterschiedlich lange. Beobachtungen sprechen von 30 min bis 3 Stunden.
Die Eiablage (Abb.) beginnt am gleichen Tag. Fast der gesamte Eivorrat wird in einem Gelege abgesetzt. Die Weibchen, die wesentlich größer und blasser gefärbt sind (Sexualdimorphismus), haben mehr feine und fadenförmige Fühler, während die Männchen breite Kammfühler tragen (Abb. links), um die Weibchen aufspüren zu können. Die Weibchen sind vor allem nachtaktiv und kommen gerne ans Licht. Der Saugrüssel beider Geschlechter ist kurz und funktionsuntüchtig. Das bedeutet, dass die Tiere während Ihres Falterdaseins keine Nahrung zu sich nehmen!
Dem Eigelege entschlüpfen nach ca. 8–10 Tage die schwarzen Räupchen (Abb.). Diese bilden einen so genannten Raupenspiegel. Sie bleiben bis nach der zweiten Häutung zusammen, um sich dann zu verstreuen. Die Raupen im vorletzten Kleid variieren stark (Abb.), während in der Regel bei den Raupen im letzten Kleid zwei Farbvarianten auftreten.
Als Futter werden entsprechend dem im Habitat vorkommende Wirtspflanzen, wie Schlehe, Brombeere, Faulbaum, Weidenarten, Heidekraut und viele andere Blattpflanzen angenommen. Die Raupenzeit dauert ca. 6–8 Wochen und erstreckt sich je nach Höhenlage von Mai bis August.
Zur Verpuppung fertigt die Raupe über der Erde, meist zwischen bodennahen Pflanzenteilen in einem Gesträuch, einen äußerst zähen, birnenförmigen, rotbraun gefärbten, kunstvoll gefertigten Kokon mit Schlupfreuse an (Abb.). Die Puppe überwintert (Abb.). Damit der Falter nach dem Entledigen der Puppenhülle den Kokon verlassen kann, gibt er einen alkalischen Flüssigkeitstropfen ab, der die Seide im Reusenbereich geschmeidig macht. Der geschlüpfte Falter ist nach ca. 2 Stunden entwickelt und flugfähig.                

zurück       Text und Bilder: K. Nimmerfroh, 30.3.2006          Arbeitskreis Lepidoptera im Entomologischen Verein Stuttgart        Lepidoptera-Startseite